Ansichten der Gelehrten über Fastenbrechen bei schwangeren und stillenden Frauen Fatwâ-Nummer: 113353
- Fatwâ-Datum:3-4-2024
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Darf eine Frau in der frühen Schwangerschaft ihr Fasten brechen, weil sie Angst um ihr ungeborenes Kind hat? Wenn sie ihr Fasten bricht, muss sie dann die Tage nachholen oder eine Ausgleichszahlung für die Speisung von Bedürftigen leisten?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Wisse erstens, dass einer Schwangeren oder einer stillenden Mutter das Fastenbrechen nur dann erlaubt ist, wenn sie für sich oder ihr Kind Schaden befürchtet. Fastenbrechen ist ihr dann erlaubt, wenn die Furcht vor Schaden entweder durch Erfahrung begründet ist oder durch einen zuverlässigen Arzt bestätigt wurde. Die Gelehrten haben unterschiedliche Auffassungen darüber, was eine solche Frau zu tun hat, wenn sie das Fasten bricht. Es wird von Ibn Abbâs und Ibn Umar zuverlässig berichtet, dass sie eine Fidya-Zahlung anordneten, aber kein Nachholen. Ibn Abbâs zählte eine Schwangere oder stillende Mutter, wenn sie sich um sich oder ihr Kind fürchtet, zu denen, die in Allâhs Worten genannt werden: „Und denjenigen, die es zu leisten vermögen, ist als Ersatz die Speisung eines Armen auferlegt“ (Sûra 2:184).
Eine Ansicht zählt eine solche Frau unter die Gruppe der Kranken, die nicht mehr auf Genesung hoffen, weil auch Schwangerschaft und Stillen sich wiederholen. Die vier Imâme sind der Meinung, dass sie verpflichtet ist, das Fasten nachzuholen und zwar aufgrund des Wortes des Erhabenen: „Wer von euch jedoch krank ist oder sich auf einer Reise befindet, der soll eine (gleiche) Anzahl von anderen Tagen (fasten)“ (Sûra 2:184). Eine solche Frau ähnelt mehr einem Kranken, der doch auf Genesung hoffen kann. Daher ist ihr das Nachholen vorgeschrieben, wenn sie dazu imstande ist. Asch-Schâfiî und Ahmad fügten noch die Verpflichtung zur Armenspeisung hinzu. Das Maß dafür ist nach Asch-Schâfiî ein Mudd und nach Ahmad ein halber Sâ. Dies wird an Bedürftige gegeben und zwar für jeden Tag, an dem sie das Fasten gebrochen hat, wenn dies aus Furcht um das ungeborene Kind geschah. Diese Ansicht ist die vorsichtigste und sicherste. Am besten zum Analogieschluss passt die zweite Ansicht, während die erste näher an den überlieferten Belegen ist.
Die Mehrheit der Gelehrten von den Schâfiiten und Hanbaliten interpretieren diese Überlieferungen, nach denen eine Armenspeisung vorgesehen ist, so, dass dies zusätzlich zum Nachholen zu erfolgen hat. Al-Muwaffaq hat in „Al-Mughnî“ die Aussagen der Rechtsgelehrten in dieser Angelegenheit aufgenommen und die Rechtsschule sorgfältig dargelegt, indem er die Meinungen und Argumente aufführte. Er hat sich dafür eingesetzt, dass sowohl die Pflicht zum Nachholen und zur Armenspeisung bestehen, wenn das Fastenbrechen aus Angst um das Kind geschah.
Wir zitieren seinen nützlichen Text ausführlich: „Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine schwangere oder stillende Frau das Fasten bricht, wenn sie Angst um sich selbst hat. Ihr ist nur das Nachholen vorgeschrieben. Wir kennen diesbezüglich keine Meinungsverschiedenheit unter den Gelehrten. Eine solche Frau ist zu beurteilen wie ein Kranker, der um sich selbst fürchtet. Falls sie um ihr Kind fürchtet, bricht sie ihr Fasten und muss dies nachholen und für jeden Tag einen Bedürftigen speisen. Dies wird von Ibn Umar überliefert und ist die bekannte Ansicht bei den Schâfiiten.“
Al-Laith sagte: „Eine Kaffâra (Sühneleistung) obliegt der stillenden Mutter, nicht aber der Schwangeren.“ Das ist auch eine der beiden Überlieferungen von Mâlik, weil eine stillende Mutter die Möglichkeit hat, ihr Kind von einer anderen Frau stillen zu lassen, (während dies bei einer Schwangeren nicht der Fall ist). Die Schwangerschaft ist an diese Frau geknüpft. Die Furcht vor Schaden ist hier wie die Furcht um körperliche Organe.“
Atâ, Az-Zuhrî, Al-Hasan, Sa‘îd ibn Al-Musayyib, An-Nachaî und Abû Hanîfa meinen, dass es für eine solche Frau (schwanger oder stillend) keine Sühneleistung gibt, denn Anas ibn Mâlik (jemand aus den Banû Kab), berichtete vom Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), dass dieser sagte: „‚Allâh hat dem Reisenden die Hälfte des Gebets erlassen und der Schwangeren und der stillenden Frau das Fasten.‘ Und bei Allâh, er sagte eines davon oder beides“ (An-Nasâî; nach At-Tirmidhî ein hasan-Hadîth). Er hat ihm keine Sühneleistung anbefohlen, weil er für das Fastenbrechen einen Entschuldigungsgrund hatte. Dafür ist keine Sühneleistung vorgesehen, wie im Falle eines Kranken.
Für uns gilt das Wort Allâhs des Erhabenen: „Und denjenigen, die es zu leisten vermögen, ist als Ersatz die Speisung eines Armen auferlegt“ (Sûra 2:184). Der Fall der oben erwähnten Frauen ist im allgemeinen Wortlaut des Verses enthalten. Ibn Abbâs sagte: „Die Erlaubnis gilt für einen Mann oder eine Frau in hohem Alter, die fasten könnten. Sie dürfen das Fasten brechen und speisen dafür pro Tag einen Bedürftigen. Und es gilt für die Schwangere oder eine stillende Frau, wenn diese um ihr Kind fürchtet. Beide dürfen das Fasten brechen und stattdessen Arme speisen“ (Abû Dâwûd). Dies wurde auch von Ibn Umar überliefert und keiner unter den Prophetengefährten äußerte dagegen Widerspruch.
Weil es hier um das Fastenbrechen einer Person geht, die aufgrund ihrer Konstitution schwach ist, muss sie eine Sühneleistung entrichten, wie z. B. ein gebrechlicher alter Mann. Die Überlieferung über sie (die Schwangere und Stillende) geht nicht auf eine Kaffâra ein, daher ist ein Beleg notwendig, wie auch für das Nachholen des Fastens. Der Hadîth geht nicht darauf ein. Der Kranke, der sein Fasten aus dem gleichen Grund bricht, befindet sich in einem leichteren Zustand als diese beiden, weil er das Fasten wegen sich selbst bricht. Wenn dies klar belegt ist, so ist es verpflichtend, einen Bedürftigen mit einem Mudd Weizen oder mit einem halben Sâ an Datteln oder Gerste zu speisen. Die Meinungsverschiedenheit hierin ist wie bei der Frage nach der Armenspeisung als Kaffâra-Leistung aufgrund unerlaubter geschlechtlicher Betätigung (im Fastenzustand). Wenn dies belegt ist, so müssen beide auch das Fasten nachholen.
Ibn Abbâs und Ibn Umar sagten: „Beiden obliegt kein Nachholen, weil der Qurân-Vers den Fall von beiden behandelt und darin nur die Armenspeisung erwähnt wird. Auch sagte der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken): „Allâh hat der Schwangeren und der Stillenden das Fasten erlassen.“ Beide sind fähig, das Fasten nachzuholen. Also ist es für beide nötig wie bei der Frau in der Menstruation oder im Wochenbett. Der Vers hat die Armenspeisung zur Pflicht gemacht, geht aber nicht auf das Nachholen ein. Daher entnehmen wir dies einem anderen Beleg. Mit der Aufhebung der Fastenpflicht ist gemeint, dass sie solange davon befreit sind, wie ihr Entschuldigungsgrund vorliegt. Das geht aus einem Hadîth von Umar ibn Umayya hervor, der vom Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) berichtet: „Allâh hat das Fasten dem Reisenden erlassen.“ Auch ähneln beide (d. h. die Schwangere oder Stillende) nicht einem altersschwachen Mann, der das Fasten nicht mehr nachholen kann, denn sie beide wären dazu imstande.
„Ahmad sagte: Ich halte mich an den Hadîth von Abû Huraira“, d. h. ich schließe mich nicht dem Wort von Ibn Abbâs und Ibn Umar an, die das Nachholen untersagten.
Und Allâh weiß es am besten!