Aussagen der Gelehrten: Verbindlichkeit und Kritik Fatwâ-Nummer: 4402
- Fatwâ-Datum:17-1-2021
- Bewertung:
Ist es erlaubt, Gelehrte zu verunglimpfen, nur weil sie andere Meinungen haben? Ist es erlaubt, fanatisch an Gelehrtenmeinungen festzuhalten, egal ob diese wahr oder falsch sind, so wie es manche tun?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Angesichts der Tatsache, dass so viele Menschen über religiöse Angelegenheiten reden und sich mit Scharîa-Wissenschaften beschäftigen – mit oder ohne Wissen – und da es unterschiedliche Ansätze gibt, ist es notwendig, die korrekte Vorgehensweise in dieser wichtigen Angelegenheit aufzuzeigen. Dies, um die Wahrheit und das Falsche aufzuzeigen. Unsere Vorgehensweise in dieser Frage lässt sich mit folgenden Punkten umreißen:
1) Es ist für jeden Muslim unerlässlich, die Leute des Wissens und des tugendhaften Lebens zu würdigen und ihren Wert und Rang anzuerkennen, mit denen sie Allâh geehrt hat. Er soll sich davor hüten, sie zu beleidigen und sie bloßzustellen. Wie man sagt: „Das Fleisch der Gelehrten ist giftig.“ Es ist bekannt, wie Allâh mit denjenigen verfährt, die nach ihren Mängeln suchen und diese verbreiten.
2) Die Aussage von jedem Menschen kann angenommen oder zurückgewiesen werden, außer bei dem von Fehlern geschützten Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken). Wer einen Fehler oder ein Versehen bei einem Gelehrten sieht, der soll ihm einen guten Ratschlag geben und die Sache klarstellen. Er soll nicht voreingenommen sein, ihn bloßstellen oder schlechtmachen. Dies ist bereits verboten bei gewöhnlichen Menschen verboten und damit erst recht bei Gelehrten, damit ihr ehrenhafter Rang bewahrt wird und die Ungebildeten abgehalten werden, sich kühn und dreist gegen sie zu äußern.
3) Es muss klar sein, dass die Unterschiede zwischen den Menschen eine Gewohnheit Allâhs sind, nach der Er sie erschaffen hat. Die Gelehrten werden stets unterschiedliche Auffassungen haben, aber sie werden sich gegenseitig Ratschläge erteilen. Sie werden untereinander disputieren, Widerlegungen anderer Meinungen verfassen und trotz alledem bestes Verhalten zeigen und sich in innerer Reinheit von Hass und Groll fernhalten.
4) Es gibt zwei Gruppen von Menschen, die über die Gelehrten und Dâ‘îs (zum Islâm Einladende) falsche Auffassungen vertreten. Die eine Gruppe übertreibt es und folgt diesen Gelehrten sogar bei ihren Fehlern. Sie unterstützen ihre Aussagen, selbst wenn diese falsch sein sollten. Eine andere Gruppe sucht eifrig nach den Schwachpunkten der Gelehrten und beschuldigt sie grundlos. Die Wahrheit und der Mittelweg liegen jedoch zwischen diesen beiden Gruppen. Und der Erfolg kommt nur von Allâh.
5) Die Gelehrten, die sich mit islâmischen Gutachten (Fatwâ) beschäftigen und über Scharîa-Angelegenheiten sprechen, unterscheiden sich:
Von den einen ist bekannt, dass sie in ihren Ableitungen und Urteilen meistens richtig liegen und selten falschen Vorstellungen folgen. Sie halten sich an die korrekten Belege für die Argumentation und die Ableitung der Normen. Daher lautet der Grundsatz bei diesen Gelehrten, dass man ihre Aussagen akzeptiert und nur das zurückweist, was eindeutig den Belegen widerspricht.
Bei anderen Gelehrten treffen diese Kriterien auf ihre Ableitungen nicht oder nur teilweise zu. Daher sollten ihre Aussagen den Belegen gegenübergestellt werden, bevor man sie annimmt. Was dem Beleg entspricht, wird akzeptiert und was ihm widerspricht, wird abgelehnt. Dies geschieht emotionslos, ruhig und wissenschaftlich unter Einhaltung eines Verhaltenskodex für Forschung und Diskussion. Beleidigungen und das Herausstellen von Fehlern sind dabei zu unterlassen.
Und Allâh weiß es am besten!