Ich habe 2019 in meinem Land geheiratet und dabei eine Morgengabe von 2 Mio. im Voraus entrichtet, während weitere 2 Mio. später zu begleichen sind (Mahr mu‘addschal). Nun möchte ich die verschobene Zahlung der Morgengabe (also den vereinbarten Rest) an meine Frau vornehmen. Doch die Währung in meinem Land wurde abgeschafft und durch eine internationale Währung ersetzt. Wie soll ich die Morgengabe nun begleichen, wo die alte Währung ungültig ist?
Der Lobpreis gebührt Allâh und möge Allâh Seinen Gesandten sowie dessen Familie und Gefährten in Ehren halten und ihnen Wohlergehen schenken!
Da die Währung des Landes, in dem der Ehevertrag geschlossen wurde, außer Kraft gesetzt wurde, musst du dich auf den Wert stützen. Die Gelehrten sind sich dabei uneinig über den genauen Tag, der für die Schätzung dieses Wertes relevant ist: Gilt der Tag des Vertragsabschlusses, der Tag des Einforderns (der Zahlung) oder der letzte Tag vor der Annullierung der Währung? Möglicherweise ist die letzte Ansicht am zutreffendsten.
Ibn Hadschar schreibt in „Tuhfa Al-Muhtâdsch“: „Wenn beim Ehevertrag die Zahlung (einer Morgengabe) in bar vereinbart wurde und sich danach die Währung verändert, so ist hier (und bei Verkaufsgeschäften u. a.) verpflichtend, was im Vertrag vereinbart wurde − egal ob der Wert dieser Währung steigt oder sinkt oder die Währung knapp geworden ist. Falls diese Währung nicht mehr existiert, wohl aber eine vergleichbare, so ist diese einzusetzen. Wenn nicht, so gilt der Wert und zwar nach dem Land, wo der Vertrag geschlossen wurde und zum Zeitpunkt der Rückforderung.“
In den „Fatâwâ As-Schihâb Ar-Ramlî heißt es: „Eine Frau wurde mit einer Morgengabe aus Aschrafî-Gold verheiratet. Der Wechselkurs pro Dinar betrug damals 300 Dirham. Es änderte sich aber die Währung und das Äquivalent ging verloren bzw. wurde knapp: Ist nun der gleiche Nennwert zu entrichten oder der Wert, den der Betrag am Tag der Eheschließung bzw. den er am Tag der Geltendmachung des Anspruchs hatte? Hier ist zu antworten: Man ist verpflichtet, der Ehefrau den genannten Betrag an Dinaren in Aschrafî-Gold zu zahlen, so wie es zum Zeitpunkt des Vertrages handelsüblich war, selbst wenn der Preis steigt, sinkt oder diese Währung knapp wird. Sollte das Aschrafî-Gold nicht mehr verfügbar sein, so wird sein Wert zum Zeitpunkt der Forderung berücksichtigt, sofern kein gleichwertiges Gold vorhanden ist (...).“
Schams Ar-Ramlî meint in „Nihâya Al-Muhtâdsch“: „Wenn der Sultan das, mit dem Verkauf und Kredit getätigt wurden, für ungültig erklärt, hat er in keinem Fall etwas anderes (d. h. keine Alternative), unabhängig davon, ob der Preis gefallen oder gestiegen ist oder ob dieses Zahlungsmittel knapp geworden ist. Sollte das, was verloren gegangen ist, ein gleichwertiges Pendant haben, ist es verpflichtend; andernfalls ist sein Wert zum Zeitpunkt der Forderung maßgeblich. In unserer Zeit ist dies in Ägypten bei den Fulûs (damalige Währung; AdÜ) zu einem echten Problem geworden.“
Al-Budschairamî schreibt in seiner Erklärung zum „Scharh Al-Manhadsch“: Wenn eine Sache von nicht unbedeutendem Wert ist, dann wird der gleiche Betrag zurückerstattet. Andernfalls wird der Wert zurückgegeben und zwar nach dem Zeitpunkt, der möglichst nahe am Zeitpunkt der Forderung liegt.“
In der „Kuwaitischen Fiqh-Enzyklopädie“ heißt es hierzu: „Wenn die in der Schuld festgelegte Forderung in Bargeld ist, nach Definition und nicht nach physischer Beschaffenheit (wie bei anderen Währungen, die nicht aus Gold und Silber bestehen) und sich bei der Fälligkeit eine Änderung ergibt, dann (…) gilt: Allgemeine Geldentwertung: Dies ist der Fall, wenn die geldausgebende Stelle den Handel mit dieser Währung einstellt, so dass diese im ganzen Land nicht mehr verwendet wird. Dies wird von den Gelehrten Geldentwertung genannt. In diesem Fall gilt: Wenn jemand eine Ware für Bargeld in bestimmter und bekannter Menge kauft, dann aber dieses Bargeld noch vor der Aushändigung entwertet wird, oder wenn jemand sich einen bestimmten Betrag an Bargeld leiht und dieser vor der Rückzahlung ungültig wird, oder wenn jemand zur Zahlung einer aufgeschobenen Morgengabe in Form eines bestimmten Betrags an Bargeld verpflichtet ist und dieses (noch vor Entrichtung) entwertet wird, dann haben die Fiqh-Gelehrten hierzu vier Ansichten:
Die erste Ansicht lautet: Nach Abû Hanîfa ist der Vertrag ungültig, wenn das Bargeld, das als Preis beim Verkaufsgeschäft bestimmt wurde, entwertet wird. Der Kaufvertrag muss annulliert werden, solange dies möglich ist, da diese Währung durch die Geldentwertung nicht mehr als Wert fungieren kann. Diese Bewertung ist nämlich nur durch eine Vereinbarung zustande gekommen. Wenn aber die Menschen nicht mehr nach dieser Vereinbarung agieren, verliert diese Währung ihre Bewertungsfunktion und das Verkaufte würde wertlos zurückbleiben. Dementsprechend muss der Vertrag aufgehoben werden. Handelt es sich jedoch um einen Kredit oder eine aufgeschobene Morgengabe (Mahr mu‘addschal), so ist eine Rückerstattung mit gleichem Nennwert vorgeschrieben, selbst wenn (ein gewisser) Wertverlust eingetreten ist, denn nur hierzu ist die Verpflichtung eingegangen worden und zu nichts anderem.
Die zweite Ansicht hierzu lautet: Nach Abû Yûsuf und der vorzuziehenden Meinung unter den Hanbaliten sowie den Mâlikiten nach einer weniger verbreiteten Ansicht gilt eine Rückerstattung des gleichen Nennbetrags bei einer Geldentwertung als nicht ausreichend. Der Schuldner muss den Wert des Geldes, der am Tag des Geschäftsabschlusses vorlag, in einer anderen Form zurückerstatten. In „Murschid Al-Hayrân“ (Art. 805) heißt es: ‚Leiht sich jemand eine bestimmte Menge an im Umlauf befindlichen Fulûs (alte Währung; AdÜ) sowie Geld, das überwiegend aus Betrug stammt, und wird dieses Geld dann entwertet, so muss er dessen Wert zurückerstatten und zwar nach dem Wert, den dieses am Tag des Erhalts und nicht am Tag der Rückgabe besaß.‘ Dies wird folgendermaßen begründet:
1) Die Außerkraftsetzung einer Währung durch die ausgebenden (staatlichen) Stellen zielen auf eine Unterbindung ihrer Gültigkeit und die Aufhebung ihrer Finanzkraft. Es handelt sich nämlich um Werte nur nach Definition und nicht nach Beschaffenheit. Da diese Währung aufgehoben wurde, muss es einen Ersatz geben und das ist der (tatsächliche) Wert, basierend auf dem Prinzip der Entschädigung.
2) Da der Gläubiger eine Sache, die tatsächlichen Nutzen birgt, hergegeben hat, um dafür etwas anderes Nützliches zu erhalten, darf ihm kein Unrecht geschehen, indem er etwas Nutzloses erhält. Die Gelehrten sagten: Es wird der Wert vom Tag der Transaktion zugrunde gelegt, da dies der Zeitpunkt ist, an dem die Verpflichtung der Schuld entsteht.
Die dritte Ansicht: Nach Muhammad ibn Al-Hasan As-Schaibânî und einigen Hanbaliten muss der Schuldner das Bargeld der Transaktion zurückzahlen nach dem Wert, das es hatte, als zum Zeitpunkt der Entwertung auf eine andere Währung übergegangen wurde. Entscheidend ist also der Zeitpunkt der letzten Ausgabe dieser Währung und das ist das letzte Mal, dass damit Geschäfte getätigt wurden. Dies ist der Zeitpunkt, an dem zum Wert (der Währung) übergegangen wird. Solange die Währung noch ausgegeben wird, muss der gleiche nominelle Wert zurückerstattet werden, wenn aber die Währung entwertet wird, geht man ab dann zu ihrem Wert über.
Die vierte Ansicht: Diese wird von den Schâfiiten und den Mâlikiten nach der vorherrschenden Meinung vertreten. Sie besagt, dass wenn das Geld nach seiner Verbindlichkeit der Schuld stagniert und dies noch vor der Rückgabe geschieht, der Gläubiger nichts anderes hat. Diese Entwertung wird von ihnen als ein Unglück betrachtet, das eben den Gläubiger getroffen hat. Es spielt keine Rolle, ob die Schulden aus einem Darlehen stammen, den Preis für ein verkauftes Gut darstellen o. a.“
Das Thema Währungswertänderung nach dem islâmischen Fiqh gehört zu den Themen, die von den Mitgliedern des „Islâmischen Fiqh-Rates“ erörtert wurden und worüber in ihrer Fachzeitschrift (Nr. 5) mehrere Beiträge erschienen sind. Unter den Worten der debattierenden Mitglieder ist u. a. dieses Zitat von Schaich Chalîl Muhyiddîn Al-Mais:
„Heute steht die Rechtsprechung im Libanon vor einem Problem: Wenn eine Frau, die seit zehn Jahren verheiratet ist, geschieden wird und die ihr noch zustehende Morgengabe 10.000 libanesische Pfund beträgt, so sehen wir, wie ein Richter die Zahlung von drei Monaten Unterhaltsleistung bestimmt, dies aber mehr beträgt als der Restbetrag der Morgengabe. Oder er bestimmt die Zahlung für die Wartezeit (der Scheidung) und diese ist auch mehr als der Rest der Morgengabe. Dabei reicht diese verbliebene Morgengabe (aufgrund des Wertverlusts) gerade mal dafür, das Taxi zu bezahlen, um vor Gericht zu erscheinen, die Urteilsverkündigung zu hören und wieder nach Hause zu fahren. Das ist die Lage, die wir im Libanon vorfinden.“
Das Problem der inflationsbedingten Währungsabwertung und ihrer Auswirkungen auf zukünftige finanzielle Verpflichtungen und langfristige Schulden haben wir bereits in Fatwâ Nr. 348040 erläutert. Hier findet sich auch die Methode und der Maßstab für die Bewertung.
Und Allâh weiß es am besten!
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